Speech on Ceija Stojka and commemoration at Ceija-Stojka-Platz

text development | speech simona anozie 2015
editing alexandra reill 2015
programme production romano centro | vienna 2015

when
02/08/2015
where
ceija-stojka-platz, 1070 vienna

programme
opening
rabie peric-jasar | barbara tiefenbacher
speeches
simona anozie | manuela horvath | gilda nancy horvath
music
indira gussak | ivana cibulova
prayer
pastor helmut schüller
closing contributions
irina spataru | samuel mago

Speech Simona Anozie

[Please note: The text is available in German only.]

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebes Romano Centro,
liebe Freundinnen und Freunde,

danke für die Einladung, heute hier bei dieser Gedenkveranstaltung für alle Romnia und Roma, die unter der Naziherrschaft umgekommen und gequält worden sind, dabei sein zu dürfen. Darunter befand sich auch meine Großmutter, die überlebt hat.

Meine Großmutter Ceija Stjoka war eines dieser Opfer des Faschismus und Nationalsozialismus, und ich freue mich und bedanke mich dafür, heute für sie und in ihrem Namen und Gedenken sprechen zu dürfen.

Mutter, Mami, Marktfahrerin, Schriftstellerin, Künstlerin…

Meine Großmutter Ceija Stojka wurde 1933 in Kraubath an der Mur in der Steiermark geboren.

In eine Familie fahrender Lovara, die als Pferdehändler und Stoffverkäuferinnen durch ganz Österreich gefahren sind.

So lernte meine Mami die vielen Wege und Landstrassen, die sich durch Österreich ziehen, schon als kleines Kind kennen.

Die roten Mohnblumenfelder und die gelben Sonnenblumenfelder, die saftigen Maisfelder und die nährenden Kornfelder lernte sie lieben.

Sie war sechs Jahre alt, als es 1939 war, die Faschisten hatten die Macht übernommen, und die Familie erfuhr, dass sie nicht mehr umherreisen durfte und daher auch ihre Berufe nicht mehr ausüben konnte.

Die Bedrohungen wurden immer schlimmer, und die Familie beschloss nach Wien zu gehen, in der Hoffnung, dass es dort leichter sein würde. Ein Fuhrwerksmeister hatte ihnen Unterschlupf angeboten – auf seinem Hof im 16. Bezirk in der Paletzgasse.

Es war 1941, und viele Romnia und Roma waren schon deportiert worden, verschwunden, verschleppt… Man ahnte schon, was stattfand; 1941 wurde mein Urgroßvater von der Gestapo verschleppt. Niemand wusste, was mit ihm geschehen war. Erst viel später erfuhr meine Familie, dass er in Dachau ermordet worden war.

Meiner Urgroßmutter gelang es, ihre Kinder und sich bis 1943 zu schützen, doch dann wurden auch sie und alle ihre Kinder, darunter auch meine mami, in die Roßauer Lände und von dort direkt nach Auschwitz-Birkenau deportiert.

Es folgte Ravensbrück; darauf Bergen-Belsen…

Meine Großmutter konnte überleben…

Sie war eine Frau, die nie aufgab, sie gab damals nie auf und sie gab später nie auf, immer ging sie weiter, sie ging ihren Weg; nur so – und mit etwas Glück, muss man vermutlich sagen – konnte sie überleben.

Vergessen war ihr natürlich nie mehr möglich, ein Leben lang wurde sie von Albträumen gequält; und es war Mitte der 80er Jahre, als meine Mutter Silvia Stojka sie zu dem Gedanken brachte aufzuschreiben, was sie täglich durchlitt.

1988 wurde daraus ein Buch – Ceijas erstes Buch: „Wir leben im Verborgenen. Erinnerungen einer Rom-Zigeunerin“.

Dieses Buch, dieses Outing war eine Revolution. Nicht nur hatte sie als KZ-Überlebende den Schritt gewagt, offen über das nicht Aussprechbare zu sprechen; als Romni hatte sie auch das Tabu gebrochen, überhaupt an die Öffentlichkeit zu gehen. Keine Romni, kein Rom wäre zu dieser Zeit an die Öffentlichkeit gegangen und hätte überhaupt gesagt, dass sie oder er Romni oder Rom ist.

Sie tat es – als eine Frau, die ihre Identität nicht mehr verstecken wollte, und als Romni, die beschlossen hatte, ihr Wort zu erheben.

Von da an hatte sie keine Angst mehr zu sprechen, keine Angst mehr, darüber zu reden, was geschehen war…

Sie machte es sich zur Aufgabe, in Schulen zu gehen, mit Kindern zu arbeiten und Jugendliche über den Terror der Faschistinnen und Faschisten aufzuklären. Sie hielt Vorträge in Österreich, Deutschland, Italien, Großbritannien und in Japan, damit, was nie wieder geschehen darf, nicht mehr geschehen wird.

Es folgten weitere Bücher; sie waren das Fundament für die unendlich vielen Bilder, in denen sie sich als Malerin ausdrückte. Diese Werke werden, wie all ihre Werke, – wie schon zu ihren Lebzeiten – weiterhin durch die ganze Welt reisen, das weiß ich.

Für mich war Ceija eine Kämpferin, die die Gerechtigkeit suchte und gleichzeitig nie vergass, das Leben zu lieben. Ihre Schmerzen konnte sie nicht vergessen; aber sie hat genauso nie vergessen, das Leben zu lieben.

Ceija Stojka war eine ganz, ganz besondere Person, ein ganz besonderer Mensch – mit einem großen Herzen, mit einem offenen Herzen; vergessen konnte sie nicht, aber sie wusste zu verzeihen.

Meine mami lebt heute nicht mehr; sie ist 2013 verstorben. Heute stehen wir nun auf diesem Platz, der erst nach ihrem Tode nach ihr benannt wurde. Ich freue mich, und ich weiß, sie freut sich auch.

Ceijas Kampf hat sich gelohnt, das erzählt mir die Benennung dieses Platzes.

Ihr Schmerz trägt Früchte – in diesem Leben und in weiteren Leben.

Und… ihre Angst ist besiegt.

Abschliessend darf ich Ihnen noch ein Gedicht meiner mami vorlesen… 

Auschwitz ist mein mantel

Du hast angst vor der finsternis?

Ich sage dir, wo der weg menschenleer ist,
brauchst du dich nicht zu fürchten.

Ich habe keine angst.

Meine angst ist in auschwitz geblieben 
und in den lagern.

Auschwitz ist mein mantel,

bergen belsen mein kleid

und ravensbrück mein unterhemd.

Wovor soll ich mich fürchten?


Danke.


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Gedenkfeier am Ceija-Stojka-Platz 2015 installed at

— ceija-stojka-platz 1070 vienna / vie / a / 15