S.P.I.N.Y. Script

Script für einen Spielfilm über persönliche Defizite und Selbstemanzipation

idea | script alexandra reill | vienna 1998 / 1999 / slight adaptations 2003 / 2020
production kanonmedia | vienna 1998 / 1999 / 2003 / 2020

PLOT

[… Sandies] (*) Problem in New YorkEine Geschichte fuer Erwachsene
von Alexandra Reill, neu bearbeitet für [… das Magazin WIENERIN] im Oktober 2003

Des spaeten Abends geht Sandie durch die Strassen von N.Y., langsam und ziellos streunt sie durch die Gegend, wirkt erschoepft und traurig. Sie hat einen erfolgreichen Arbeitstag hinter sich, aber sie ist zu aufgedreht und gleichzeitig zu muede, um nach Hause zu gehen und dort gemuetlich zu entspannen. Ausgebrannt spaziert sie durch NoHo, schaut in die Auslagen der Boutiquen und Designershops … Eigentlich sollte sie sich an ihnen freuen, aber sie sagen ihr nichts. Sie vermisst den Sinn ihres Lebens, Erfuellung, Freude, Liebe, und doch weiss sie nicht, dass es so ist.
Sie beschliesst einen Club aufzusuchen, obwohl sie muede ist, und haelt ein Yellow Cab auf. Der Taxifahrer ist ein Schwarzer. Er ist lustig und humorvoll und versucht mit ihr zu plaudern, ja sogar, sie aufzumuntern, aber Sandie ist kuehl und abweisend, sie vertraegt seinen Humor nicht, sie verachtet den Mann, ohne es zu wissen, und gibt nur kurz angebundene, kuehle Antworten und dazwischen auch gar keine, bis es der Taxifahrer aufgibt und sie schweigend und auch etwas enttaeuscht zum Blackpoint fuehrt.
Sie steigt aus dem Taxi und wird von dem Tuersteher eingelassen. Es ist Winter in N.Y.. Vor dem Blackpoint reiht sich eine lange Warteschlange von “Black Madonnas”, die viel juenger sind als Sandie und sich auch vom Styling her sehr von ihr unterscheiden. Sandie mit ihrer gestylten Eleganz passt gar nicht richtig hierher. Der Tuersteher ist ein dicker, plumper, bewaffneter Bodyguard, ein einfacher Geist, der die Aesthetik der jungen Blackie-Whities nicht ausstehen kann und der Sandie sofort einlaesst, weil sie die fuer ihn unerreichbare grosse Welt verkoerpert.
Es ist ein grosser Club, in dem sich die jungen Menschen draengen. Sie muss sich durch die labyrinthartigen Gaenge kaempfen und wird von unaufmerksamen Jugendlichen angerempelt, ansonsten aber ueberhaupt nicht beachtet. Hier wirkt das Publikum bereits gemischter, es finden sich auch Intellektuelle, Kuenstler, Musiker, die in ihrem Alter sind und die offensichtlich alleine hier sind. Die laute Musik und die pulsierende Lebenslust stehen fuer ihre Freiheit. Sandie muss sich durch den Raum mit der Tanzflaeche kaempfen. Der Sound droehnt, sie schweigt, und es sind auch sonst keine Stimmen zu hoeren. Sie erreicht die Bar, der gut aussehende Barkeeper stellt ihr ein Glas [… Bourbon(**)] ungefragt hin. Er kennt sie.
Ein blonder, ganz netter, ganz huebscher, aber etwas langweilig wirkender junger Mann spricht sie an. Sie wendet sich wortlos ab. Der junge Mann nimmt einen Schluck von seinem Coke und spricht das neben ihm sitzende Maedchen an – hier findet er eine amuesierte Gespraechspartnerin. Sandie steht gelangweilt an der Bar und beobachtet das tosende Leben im Raum, das sinnlich wirkt – es wird getanzt und gekuesst, die Stimmung ist schwuel und animierend. Sie nimmt in keiner Weise teil.

Der Designerwecker klingelt und weckt sie mit Musik. Radio und Werbung. Es ist 6.30 morgens. Auf dem Beistelltisch steht eine Flasche [… Bourbon] und ein halb geleertes Glas. Auf dem Boden liegt ihre Kleidung verstreut herum. Das Aufstehen faellt ihr schwer, sie fuehlt sich geraedert, quaelt sich aus dem riesigen Bett. Auf schwachen Beinen geht sie in die Kueche. Chaos herrscht da, es stehen unzaehlige Dinge herum, und der Geschirrberg ist riesig und unappetitlich. Sie stellt Kaffee auf, geht ins Bad, wankend und zerzaust. Das Bad ist luxurioes, es ist eine Badlandschaft. Die besten Kosmetika stehen herum, aber auch im Bad ist es unordentlich, chaotisch. Sie zieht sich aus und laesst den Pyjama auf den Boden fallen. Sandie steigt in die Dusche, duscht alles Unglueck, alle Verzweiflung, alle Erschoepfung und die ganze letzte Nacht an sich herunter.

Sandie betritt die Agency, in der sie arbeitet, attraktiv und gepflegt, eine souveraene, selbstbestimmte Frau, der man die letzte Nacht und den Zustand des Morgens keinesfalls ansehen wuerde. Das Grossbuero ist eine Art Computerhalle, in der etwa zwanzig Damen so gestylt wie hektisch vor den Rechnern sitzen. Die Gesichter sind nervoes und verhaermt. Sandie haelt ein grossformatiges Photo in der Hand und legt es einer Mitarbeiterin auf den Tisch. Streng und diszipliniert geht sie in ihr Buero, in dem es ganz still ist, im Unterschied zu dem Grossbuero, das mit swingiger Musik unterlegt ist, und den Stimmen der Ladies, die in ihre Computer reden.
Sandie setzt sich an ihren grossen Schreibtisch und stuetzt verzweifelt die Haende in den Kopf. Eine Reihe kleiner Kinder, etwa 5-7 Jahre alt, Buben und Maedchen, laeuft ueber ihren Schreibtisch. Zwergenartig wirken die Kinder. Dann wieder sieht sich Sandie als kleines Maedchen auf einem alt eingefaerbten Photo. Vertraeumt spielt sie auf einer Wiese.

Es ist wieder Abend geworden. Einsam wandert Sandie durch die Strassen von N.Y., vorbei an den Lagerfeuern der obdachlosen Bumps, vorbei an Graffiti-Waenden. Der Verkehr fliesst noch, aber kaum sind sonst noch Fussgaenger unterwegs. Es faengt zu regnen an.

Im Stehen trinkt sie ihren morgendlichen Kaffee, lehnt an der Kuecheneinrichtung, wie jeden Morgen. Sie nimmt eine Dusche, es dampft im Bad, sie dampft ihre Gefuehle aus sich heraus. Das Telephon laeutet. Aus der Dusche heraus greift sie nach dem Handy, das unter verstreuter Kleidung liegt. Es ist ihr Mann, der sagt: – Ich liebe dich … 
Sandie: – Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich nichts mehr von Dir wissen will! Lass’ mich endlich in Ruhe, ich brauche Abstand, ich liebe dich nicht, ich brauche dich nicht, ich brauche niemanden, ich will dich nicht sehen …
Zornig legt sie auf und steigt aus der Dusche.

Mit ihrer Assistentin und ihren beiden Bossen sitzt Sandie im Besprechungsraum der Agency und bespricht die letzten Vorbereitungen zur Bewerbung eines Einkaufszentrums im tropischen Costa Rica. Ein schmaechtiger, unauffaelliger Clerk oeffnet die Tuer von aussen und sagt: – Mrs. Sandie, das Taxi wartet. Eilig nimmt sie Gepaeck und Unterlagen, verabschiedet sich und verlaesst das Buero.
Am Flughafen angelangt, steigt sie in Eile aus dem Taxi, der Fahrer gibt ihr aus dem Kofferraum die Reisetasche. Sie geht in die Halle und checkt ein. Als letzter Passagier betritt sie das Flugzeug, alle Passagiere sind angeschnallt und warten auf den Start. Die Stewardess bringt Sandie zu ihrem Platz in der ersten Klasse. Sie richtet sich auf ihrem Sitzplatz ein, gleichzeitig bestellt sie [… Bourbon]. Neben ihr sitzt ein distinguierter, aelterer Geschaeftsmann, er begruesst sie und spricht sie freundlich an: – Sie fliegen also auch nach San Juan? – Ja. – Ihr Winterurlaub? – Nein. Die Stewardess bringt das Glas [… Bourbon]. Der Geschaeftsmann fuehrt die Unterhaltung fort: – Dann sind Sie wohl geschaeftlich auf Reisen? – Ja. – Wie schoen … In welcher Branche sind Sie denn taetig? – Ich arbeite fuer eine Werbeagentur. – Ach … Und Sie betreuen Costa Rica? – Ja. – Das ist ja sehr interessant. Darf ich fragen, womit sie da zu tun haben? Sandies Tonfall ist arrogant: – Nein. Der Geschaeftsmann fuehlt sich vor den Kopf gestossen. Er ueberlegt, ob er das Gespraech noch einmal anknuepfen soll, kommt offenbar zu dem Schluss, dass es keinen Sinn hat und wendet sich wieder seiner Zeitung zu. Sandie blickt auf die andere Seite, ueber die Menschen hinweg Richtung Fenster. Szenen einer Ehe fallen ihr ein. Ein Streit um nichts. Sandie schreit ihren Mann an, er erwidert erzuernt, auch laut, aber sie unterbricht und schreit weiter, verlaesst tobend das eheliche Schlafzimmer und wirft die Tuere hinter sich zu. Ihr Mann, ein attraktiver, dunkelhaariger Mann, sicher zehn Jahre aelter als sie, im Trenchcoat, bleibt hilflos zurueck. Kaum hat sie den Raum verlassen, kommt sie auch schon wieder tobend herein. Doch waehrend sie weiter hysterisch auf ihn einschreit, verlaesst nun er das Zimmer – wortlos. Es ist Sandie, die einsam und verlassen zurueckbleibt. Sie laesst sich auf das Bett fallen und sitzt dort wie ein Haeufchen Elend …
Sandie blickt zum Fenster hinaus. Wolken ziehen vorbei – oder sind es weisse Pferde?

Die Taxis vor dem Flughafen San Juan sind bunte, aber rostige Schrottautos, die Fahrer sehen aermlich aus. Sie lehnen mit verschraenkten Armen und abweisendem Blick an ihren Waegen, wie schwarze Soldaten der Armut. Sandie hebt sich extrem von ihrer Umgebung ab und fuehlt sich auch nicht ganz wohl in ihrer Haut. Sie spricht den Fahrer des ersten Taxis an, der ihr wortlos die Beifahrertuere oeffnet und sich auf den Fahrersitz setzt. Sandie stellt ihre Reisetasche auf den Beifahrersitz und setzt sich auf die Rueckbank. In rauem Ton fragt der Taxifahrer: – Wohin? – In das Palm Inn Hotel, gibt Sandie ihr Ziel an. Er antwortet nicht mehr.
Endlos langsam faehrt das Taxi durch die Stadt, quaelt sich in der Hitze durch dichten und chaotischen Verkehr. Palmen und Sonne, aber grosse Armut, raues Strassenleben, Shacks. Die Strasse fuehrt durch Slumgebiete, dann schlaengelt sie sich durch tropische Waelder. Und es wird auf einmal ganz einsam hier, ganz allein ist das Taxi auf der Landstrasse. Paradiesische Vogellaute mischen sich mit dem ratternden Motorengeraeusch. Zwischendurch wirft der Fahrer einen Blick auf die Reisetasche, dann wieder beobachtet er im Rueckspiegel Sandie. Sandie beobachtet ihn genau, es ist ihr gar nicht wohl zumute. Die Stimmung im Wagen ist angespannt. Da lichtet sich der Dschungel, am Horizont erscheint das Meer[,] und ein hohes, elegantes Gebaeude, das sich mit einer grossen Neonschrift als Palm Inn Hotel zu erkennen gibt. Die fruchtbaren Urwaelder verwandeln sich in gepflegte Park- und Golfanlagen amerikanischen Stils. Erleichtert fixiert Sandie das Palm Inn Hotel, Angst faellt von ihr ab. Sie mag amerikanische Luxushotels.

Der Wagen haelt vor dem Entrée. Frech verlangt der Taxifahrer eine horrende Summe. Sandie bezahlt widerstandslos. Er nimmt das Geld, bleibt sitzen, macht keine Anstalten, ihr die Wagentuere zu oeffnen oder die Reisetasche zu reichen. Sie muss sich ihr Gepaeck selbst vom Vordersitz holen. Kaum hat sie die Wagentuere zugeworfen, braust das Taxi davon. Der Portier, der etwas verspaetet herantritt, nimmt ihr die Reisetasche ab und begleitet sie in das Hotel. 
Ein Boy stellt Sandies Gepaeck in ihrer Suite ab und oeffnet strahlend seine Hand, um Trinkgeld zu bekommen. Sandie gibt davon viel zu viel, in Scheinen. Kaum hat der Boy das Zimmer verlassen, dreht sie den Fernseher auf, amerikanisches Programm laeuft … Sandie fuehlt sich verschwitzt, sie macht es sich in der gediegenen Umgebung bequem, lockert ihre Kleidung, die Bluse bleibt offen, die Hose wird ausgezogen. Wie immer verstreut sie ihre Kleidung ueber Boden und Bett. Sie oeffnet die Glastuere zum Balkon, der ihr aus dem fuenften Stock einen weiten Blick ueber die Swimmingpoolarea des Hotels, eine Strandpromenade und auf das Meer bietet. Ein Dampfer zieht […] am [weiten] Horizont vorueber. In ihrer Vorstellung holt sie ihn sich naeher und stellt sich sich selbst vor – wie sie tanzt und tanzt, mit einem gut aussehenden Mann, in der Cocktailbar einer Luxusyacht. Doch je naeher der Dampfer rueckt, desto klarer wird, dass es ein Kriegsschiff ist. Explodiert es? Erschrocken wacht sie aus ihrem Tagtraum auf.
Sie schuettelt den Kopf, wirft den Traum von sich ab, und bemerkt da erst einen Mann, rassig und dunkel, der sie von seinem Balkon aus beobachtet. Sandie fuehlt sich sofort in eine Art Bann gezogen, sie spuert Verfuehrung und Scham gleichzeitig. Eilig zieht sie sich in ihr Zimmer zurueck. Der Mann ist jung, attraktiv, wirkt stark, aber ein harter Zug im Gesicht laesst Vorsicht aufkommen. Langsam wendet er sich ab, geht in seine Suite, verschwindet in der Dunkelheit des Raumes.

Der Strand ist menschenleer. Vergnuegt schwimmt Sandie im Meer. Sie geniesst die Hitze, die Sonne und ihren eigenen Sexappeal. Sie wendet und dreht sich im Wasser wie eine Meerjungfrau. Als sie dem Meer entsteigt, laeuft ihr eine Schar einheimischer Kinder entgegen und umtanzt sie. Sie sind sehr charmant und sinnlich, und sie wollen Bakschisch. Die Kinder haben nicht die Absicht, sie ihn Ruhe zu lassen. Waehrend einige Kinder sie bedraengen, laufen andere zu ihrem Handtuch, wo ihre Handtasche liegt. Sandie weiss nicht, wie sie sich wehren soll. Wie aus dem Nichts taucht da auf einmal der unbekannte Fremde auf und vertreibt die stehlenden Kinder mit kurzen, harschen Lauten, die nach der Landessprache klingen, die aber keine Worte sind – rrr, rrr – und er gibt ihnen Kopfflaschen, von denen man nicht genau weiss, ob sie weh tun oder nicht. Die Kinder laufen davon.
Er reicht Sandie ihr Handtuch, damit sie sich abtrocknen kann. Sie geniert sich und bindet sich das Handtuch um.
Er laechelt: – Sie sollten besser auf Ihre Sachen aufpassen. – Ja, ich habe nicht daran gedacht. – Die Kinder hier koennen ganz schoen unangenehm sein. Sie kommen aus den Siedlungen hinter der Hotelanlage und versuchen ueber Touristen an Geld zu kommen. Die Familien sind ziemlich arm und die Kinder kaempfen mit allen Mitteln. Das kann gefaehrlich werden. – Sie scheinen sich in der Gegend gut auszukennen. Das Gesicht des Fremden wird ernst: – Das ist nicht nur hier so. Auf eine merkwuerdige Art fuehlt sich Sandie eingeschuechtert: – Ich bin zum ersten Mal in Costa Rica – die Dinge scheinen hier ganz anders […] als in den Staaten. – Ja.
Sandie und der Fremde gehen den Strand entlang. Sie hat sich ihre Handtasche umgehaengt und sieht ein wenig laecherlich aus, eingepackt in ihr Handtuch und aengstlich den Riemen ihrer Tasche haltend. Beide schweigen eine Zeitlang. – Ich bringe Sie jetzt ins Hotel zurueck. Er biegt nach links zur Promenade ab. Sandie weiss nicht, ob ihr sein bestimmtes Auftreten recht ist, den Vorfall mit den Kindern hat sie fast schon wieder vergessen, sie denkt, dass sie eigentlich alleine auf sich aufpassen kann, und sie wundert sich, mit welcher Selbstverstaendlichkeit der Mann ueber ihre Wege verfuegt. Aber sie folgt ihm wortlos. – Was hat sie nach Costa Rica verschlagen?, greift er das Gespraech wieder auf. – Ich arbeite fuer eine Werbeagentur und stelle unseren hiesigen Auftraggebern ein Werbekonzept vor. Es betrifft ein Einkaufszentrum in der City. – Hmm. Sandie nutzt die Gelegenheit: – Und Sie? – Ich geniesse die Sonne. Schweigen. Das Schweigen ist Sandie unangenehm: – Wie lange bleiben Sie denn noch hier? – Eine Woche. – Da haben Sie wohl schon den Grossteil Ihres Urlaubs hinter sich? Er gibt keine Antwort. Schweigen. Aber Sandie gibt nicht so leicht auf: – Und wohin geht es dann zurueck? – Ich werde vielleicht nach N.Y. fliegen. Sandie ist verwirrt. Sie betreten die Parkanlage des Hotels. Das betretene Schweigen haelt an. Sandie wagt nicht einmal mehr, nach seinem Namen zu fragen. Nach einiger Zeit schlaegt der Unbekannte vor: – Ich sehe Sie dann wohl beim Dinner. Sandie ist froh, eine schnippische Antwort parat zu haben: – Ich bin zum Geschaeftsessen in der Stadt verabredet und werde abgeholt. Aber ihre Antwort verblasst, als er sagt: – Gut, dann eben danach. Er wechselt die Richtung, winkt ein kleines Good Bye und verschwindet in die Lounge. Sandie bleibt konsterniert stehen. – Woher nimmt er eigentlich die Frechheit? …

Von draussen wirft der Sonnenuntergang gelb violettes Licht in das elegante Restaurant. Sandie sieht hinreissend aus. Sie hat die langen Haare lasziv hochgesteckt und traegt ein blaues Cocktailkleid, rueckenfrei und mit hohem Seitenschlitz. Es macht sie zu einer Schoenheit. Die beiden amerikanischen Geschaeftspartner, zwei aeltere, konservative Herren, sind von Sandie fasziniert und unterhalten sich angeregt mit ihr. Es faellt ihr leicht, sie von der Attraktivitaet ihrer Projektentwuerfe zu ueberzeugen, ohne auch noch einen Entwurf gezeigt zu haben. Bald legen sich die geschaeftlichen Gespraeche, der Abend verlaeuft angeregt und entspannt. Nach dem Dinner moechten ihr die Herren die eleganteste Cocktailbar der Stadt zeigen, aber Sandie gibt vor, von der anstrengenden Reise muede zu sein. Die beiden Amerikaner bedauern, aber Sandie verabredet sich fuer den naechsten Tag um 10.00 in deren Buero; sie verabschieden Sandie mit Handkuss, sie entgegnet nickend und folgt dem Chauffeur, der sie in das Palm Inn bringt.

Sandie betritt das Hotelfoyer mit bereits suchendem Blick. Sie wendet sich Richtung Lounge, als der Rezeptionist mit einer schriftlichen Nachricht an sie herantritt. Sie oeffnet den Brief: – Ich erwarte Sie am Pool. Laechelnd faltet sie den Brief und steckt ihn in ihre Handtasche. Die Poolarea ist raffiniert beleuchtet, die Liegestuehle sind fuer den Abend gegen elegante Fauteuils ausgetauscht worden. Kellner im Smoking servieren den wenigen Gaesten Drinks. Der Unbekannte sitzt am Pool und blickt ins Wasser. Sie muss einen weiten Weg bis zu ihm zuruecklegen, bemerkt, dass er kurz zu ihr blickt, sie aber weiter nicht beachtet, bis sie bei ihm steht und ihn gruesst: – Guten Abend. – Moechten Sie sich setzen? Er rueckt den Fauteuil neben sich fuer sie zurecht: – Wie war der Abend? Sandie setzt sich. – Sehr gut. Meine Partner moegen mich. – Sie haben sie sicher begeistert. Womit haben sie es geschafft, mit Ueberzeugungskraft oder mit Sexappeal? Wieder muss Sandie schweigen. – Warum kompromittiert sie dieser Mann immer? Im selben Moment, in dem er ihr ein Kompliment macht, erniedrigt er sie. Und dennoch – sofort wieder fuehlt sie sich seinem Bann ausgeliefert, als er sich zu ihr dreht und sich entschuldigt: – Nehmen Sie es mir nicht uebel, ich bin manchmal zu geradlinig … Sie sind einfach zu schoen. Sandie kann nichts darauf sagen. Ihr Leben in N.Y. faellt ihr ein. Arm in Arm spaziert sie mit ihrem Ehemann die Park Avenue entlang, sie plaudern und lachen. Ist es Weihnachtszeit – sind Auslagen und Strasse kitschig und ueberladen dekoriert, steht ein Santa Claus auf der Strasse, der dem Ehemann ein Werbegeschenk in die Hand drueckt, der es nimmt und liebevoll an Sandie weitergibt? Dann fallen ihr wieder all jene haesslichen Situationen ein, in denen sie stritten, einander Vorwuerfe machten, keine Chance mehr hatten, zueinander zu finden. Und ihr Alltag faellt ihr ein, der Alltag, der sie einholt, seitdem sie ihren Mann verlassen hat – einsam und ausgebrannt wandert sie durch die Strassen New Yorks, vorbei an Graffitiwaenden und obdachlosen Bumps.

Sandie liegt in einem zerwuehlten Bett, neben dem Unbekannten. Sie hat eine leidenschaftliche Affaire hinter sich. Eine Uhr zeigt 4.00 frueh. Champagnerglaeser und –flaschen stehen herum. Er steht auf: – Es ist Zeit fuer Dich. Sie sieht ihn erstaunt an.
Sein Tonfall bleibt bestimmt: – Du musst heute vormittag fit sein. Sandie bleibt sanft: – Das schaffe ich schon. Er scheint keine Absicht zu haben, seine Meinung zu aendern: – Es ist trotzdem wichtig, dass Du jetzt gehst. Sandie ueberlegt, blickt ihn schliesslich fragend an: – Du meinst, das war es jetzt? – Nein, das meine ich nicht, aber ich schlafe nie zu zweit. Sandie erstarrt. Es bleibt ihr nichts anderes uebrig, als sich anzuziehen. Fahrig bekleidet verlaesst sie die Suite.
[Sandie tut kein Auge zu, denkt gruebelnd nach.] Bis zum fruehen Morgen kauert [… sie] mit angezogenen Beinen auf ihrem Bett, bevor sie Fruehstueck bestellt. Sogar der Boy scheint ihr die leidenschaftliche Liebesnacht anzusehen. […]

Storyboards, Photos und Unterlagen liegen auf dem Besprechungstisch, und Sandie, attraktiv und souveraen wie immer, erklaert den beiden Auftragggebern die Werbestrategie fuer deren Einkaufszentrum. Man sieht den Auftraggebern an, wie sehr ihnen Sandie gefaellt. Die beiden Herren begleiten Sandie in vollster Zufriedenheit zur Tuer und verabschieden sie hoeflichst. Die Unterlagen bleiben auf dem Tisch zurueck.

Sandie ist direkt von der Besprechung zu dem Hotelzimmer des Unbekannten gegangen und klopft an. Die Tuere ist unverschlossen. Der Liebhaber liegt auf dem Bett und sieht fern. Im TV laeuft eine Reportage ueber Krieg und Waffenhandel. Wieder reagiert er kaum auf Sandie und sieht weiter fern. Das Programm scheint ihn sehr zu interessieren. Sandie geht nervoes auf das Bett zu und bleibt davor stehen. Er zieht sie zu sich herunter und kuesst sie leidenschaftlich. Sandie kann nicht anders, sie gibt sich ihm hin.

Das Alviva ist ein DriveIn amerikanischen Stils, mit Sitzbaenken aus rotem Sky und blonden, vor sich hin summenden Kellnerinnen in pinkfarbenen Uniformen. Das Lokal ist gut besucht, das Publikum ist einfach. Durch die grossen Fenster sieht man eine amerikanische Strassensituation mit vielen Autos und Neonreklamen, palmengesaeumt. Sandie und der Unbekannte haben zu Abend gegessen, eine der Kellnerinnen raeumt gerade den Tisch ab und schenkt Kaffee nach. Sandie ist muede, aber entspannt: – Tja, morgen geht es wieder in mein Leben zurueck. Mein Flug geht um 11.00. – Ich begleite Dich. – Wohin? Zum Flughafen? Das ist aber nicht noetig. – Doch, doch – es gibt mir Gelegenheit, Dich noch laenger zu geniessen. Sandie senkt den Kopf ein wenig, laechelt geschmeichelt … – Ich wuerde Dich gerne in N.Y. besuchen. Sandie blickt auf, sagt erfreut und erstaunt zugleich: – Das waere aber nett!  … Er sieht sie an und laechelt. Sandie stutzt ein wenig: – … Du hast mir eigentlich ueberhaupt noch nicht gesagt, was genau du beruflich machst.
Seine Antwort klingt ein wenig zoegernd: – Ich handle mit Computern … Ich kontaktiere verschiedene Geschaeftspartner und vermittle Ihnen Angebote aus Suedamerika. – A[…]a[h] … – Wichtig sind gute Preise. Sandie versucht nachzufragen: – Wir reden also von Importen? – Ja. Und Exporten. – Hmm … und davon kann man gut leben? – Davon kann man sogar sehr gut leben. Wie gesagt, Hauptsache, Preis und Leistung stimmen. Sandie scheint mit der Antwort ganz zufrieden zu sein, sie fragt nicht weiter. Sie laechelt ihn verliebt an und geniesst ihre Affaire, ohne zu wissen, ob sie den Liebhaber jemals wiedersehen wird. Und nach einer kurzen Pause wiederholt sie, wie mit dem Feuer spielend: – Ich wuerde mich freuen, wenn Du mich in N.Y. besuchst.
Im Flugzeug nach N.Y., mit einem Glas [… Bourbon mit Eis] vor sich, schaut sie vertraeumt, glueckselig in die Leere. Lange blickt sie aus dem Flugzeugfenster.

Sandie betritt ihre Wohnung. Sie stellt ihr Gepaeck ab und geht zum Anrufbeantworter. Das Nachrichtensignal blinkt. Ihr Ehemann: – Du hebst offensichtlich nicht einmal mehr das Telephon ab. Im Buero laesst Du Dich verleugnen. Immer heisst es einfach, du bist nicht da, das kann ja gar nicht sein! Ich muss dringend mit dir reden. Du weisst, dass ich Dich liebe und mit dir ueber alles sprechen moechte, statt diese kindischen Spiele zu spielen … Ich weiss nicht mehr, wie ich mit dir umgehen soll … Du kannst doch unsere Ehe nicht so einfach auf’s Spiel setzen … Sandie, ich lasse Dich schon in Ruhe, du brauchst keine Angst haben, dass ich dich zu etwas draenge, das du nicht moechtest, ich sehe, dass du so nicht auf mich reagierst – … – aber bitte, ruf’ mich trotzdem an, damit wir ueber alles sprechen koennen … Der Anrufbeantworter schnappt angesichts der Ueberlaenge der Nachricht ab. Sandie betaetigt Rewind und verlaesst trotzig das Zimmer.

Am naechsten Morgen betritt sie flott das Grossbuero und begruesst die Mitarbeiter. Eine Kollegin spricht sie an: – Wie war’s in Costa Rica? Ist alles gut gelaufen? Sandie strahlt: – Praechtig! Alles gebongt! Es war super! Schwungvoll oeffnet sie die Tuer zu ihrem Buero und legt ihre Sachen ab. Sie setzt sich und drueckt einen Knopf, um die Assistentin zu rufen, die unverzueglich das Buero betritt: – Hallo, Mrs. Sandie! Gut zurueckgekommen? Wie war’s? – Es lief einmalig! Sie haben mir aus der Hand gefressen! Und ausserdem ist Costa Rica einfach ein Traum! … Und welche Neuigkeiten gibt es hier? – Nichts Aufregendes, ich gebe Ihnen die Terminliste – es geht erst morgen wieder richtig los – die Chefs moechten Sie um 10.00 sprechen, sie sind heute unterwegs. Aber sie lassen Ihnen jedenfalls schon gratulieren! Sandie laechelt zufrieden: – Danke … Gut, dann mach’ ich mich ‘mal ans Aufarbeiten … Kaffee waere schoen, Lucie … – Gerne, Mrs. Sandie, kommt sofort … Die Assistentin verlaesst das Buero. Sandie lehnt sich zufrieden in ihrem Stuhl zurueck.

Am Abend verlaesst Sandie entspannt das Gebaeude und schlaegt ihren gewohnten Weg nach Hause ein. Sie geht durch die Strassen NoHos und bleibt zwischendurch neugierig vor einer Auslage stehen. Als sie ihr Wohnhaus betritt, heisst sie der Portier wie immer freundlich willkommen: – Guten Abend, Mrs. O’Keith – wie war der Tag? – Gut, sehr gut, nicht so hektisch wie sonst, aber morgen geht’s ohnehin wieder richtig los. Wobei, ich freu‘ mich auch schon drauf – mir macht ja Arbeiten Spass! – Jaja, ich weiss, lacht der Portier, – Sie sind ja nie zu bremsen! Ihre Post, Mrs. O‘Keith … Er gibt ihr die Post, sie geht zum Lift, die Tuer oeffnet sich. Sandie dreht sich um: – Bis dann, Mr. Baxter… Der Portier nickt freundlich: – Einen schoenen Abend noch, Mrs. O’Keith!

Sandie betritt das Vorzimmer, stellt die Tasche ab, zieht den Mantel aus, drueckt auf den Knopf des Anrufbeantworters – keine Nachricht. Sie geht in die Kueche, wirft die Schuhe in eine Ecke und schenkt sich ein Glas [… Bourbon] ein. Sie nimmt noch ein Paeckchen Chips mit und geht in das Schlafzimmer, um den Fernseher aufzudrehen und sich auf das Bett fallen zu lassen. Mit der Fernbedienung zippt sie sich hektisch durch verschiedene Channels, ohne sich wirklich fuer einen entscheiden zu koennen, bis sie endlich eine Sendung ueber Hawaii findet und genuesslich die romantischen Suedseebilder betrachtet.

Mit Lucie und ihren beiden Bossen sitzt Sandie bei der Besprechung der Ergebnisse aus Costa Rica. Es wird mit Champagner angestossen. Und natuerlich tuermt sich schon wieder neue Arbeit auf dem Tisch. Der Alltag hat Sandie wieder. Spaetabends verlaesst sie das Buerogebaeude, haelt ein Yellow Cab auf und faehrt zum Blackpoint.

Der Wecker klingelt – es ist 6.30. Auf dem Nachtkaestchen steht ein nicht ganz geleertes Glas [… Bourbon]. Sandie quaelt sich hoch und geht ins Bad. Die nassen Haare trocken reibend, sucht sie waehlerisch ein paar Kleidungsstuecke aus ihrem Schrank und legt sie auf das ungemachte Bett. Sie macht sich zurecht und sieht wieder perfekt aus. Sie sitzt an ihrem Schreibtisch und bespricht Dinge mit ihrer Assistentin.

Wochen vergehen. Sandie lebt ihr Leben wie gehabt. Die Affaire in Costa Rica ist vergessen, als sich die Tuere oeffnet und der unbekannte Liebhaber Sandies Buero betritt. Sandie kann es nicht glauben, ist es Schrecken oder Erstaunen, das aus ihren Augen spricht? Die Assistentin steht auf und macht ein paar Schritte auf den Liebhaber zu: – Guten Tag, Mr. ….?, kann ich Ihnen behilflich sein? – Hanks, guten Tag, mein Name ist Hanks. Mrs. Sandie kennt mich … Er laechelt Sandie verschmitzt an und geht, an der Assistentin vorbei, auf ihren Schreibtisch zu: – Wie geht’s, Sandie?! Schon lange nicht mehr gesehen! Ich bin fuer ein paar Tage in der Stadt und dachte, ich muss dich unbedingt sehen! Sandie, zoegernd, mit einem kurzen Blick zur Assistentin: – Ja … das ist aber nett … – Wie schoen, dich wiederzusehen – du siehst blendend aus! Wenn du wuesstest, wie oft ich an dich gedacht habe! – Aber – zur Sache: ich bin aus geschaeftlichen Gruenden in der Stadt und wollte dich unbedingt sprechen – du bist doch Fachfrau punkto Werbung! Es ist jetzt soweit, meine Firma laeuft so gut, dass man sich mit der Werbung [… et]was Neues ausdenken muss! Ich dachte, du kannst mir da sicher helfen! Sandie, die sehr irritiert ist und nicht weiss, ob sie sich freuen oder fuerchten soll, hat keine rechte Antwort: – Ja … ja, ich weiss nicht … Die Assistentin hoert aufmerksam zu, der Liebhaber wirkt so charmant wie ueberzeugend: – Hmm, ich ueberrasche dich ja wirklich – und ausserdem stoere ich die Damen sicherlich gerade in einer wichtigen Besprechung. Ich platze hier so einfach herein … ich bin gegen sechs wieder in der Gegend, wie waer’s mit einem Kaffee und einer gemuetlichen Besprechung? Gegenueber ist ein Coffeeshop, ist der o.k.? – Ja …., jaja, durchaus … – Gut, wenn es dir recht ist, bin ich dort um sechs und wir besprechen alles in Ruhe, o.k.? – Ja …, ja, ist gut, sechs ist in Ordnung. Der Liebhaber wendet sich der Tuer zu und grinst die Assistentin verschmitzt an: – Dann darf ich den Damen noch einen erfolgreichen Tag wuenschen! Er zwinkert Sandie zu und verlaesst den Raum. Mit fragendem Blick dreht sich die Assistentin zu Sandie, die – noch immer ganz perplex – an ihrem Schreibtisch lehnt. Lucie ist gar zu neugierig: – Ein attraktiver Mann … Sandie blickt auf, peinlich beruehrt und veraergert zugleich: – … Finden Sie? – Ja, doch, charmant – ist das ein Freund von Ihnen? – … ein alter Bekannter aus Miami … er handelt mit Computern … – Mit Computern – aha …, und – Sandie unterbricht sie: – Wir haben noch jede Menge zu tun, Lucie, o.k? Machen wir weiter. Lucie ruempft die Nase und schlaegt die Augen auf: – Natuerlich, Mrs. Sandie … wo waren wir stehengeblieben?

Der Unbekannte spaziert gut gelaunt durch die Strassen von N.Y. …

Sandie sitzt an ihrem Schreibtisch und ueberlegt. Ganz langsam durchquert sie das Grossbuero und verlaesst die Agency, noch langsamer geht sie die Treppe zum Foyer hinab. Auf der Strasse bleibt sie stehen. Sie atmet tief durch, überquert sie und geht auf das einfache Coffeeshop zu. Der Liebhaber sitzt in einer Ecke und trinkt Kaffee. Sie setzt sich, wortlos, ohne den Poncho abzulegen. [… Der Liebhaber] laechelt: – Ich hab‘ dich ueberrascht, nicht wahr?! – Das kann man wohl sagen. Ich dachte nicht, dass du dein Versprechen wirklich wahrmachen wuerdest. – Ich halte meine Versprechen immer. Sandies Ton ist leicht sarkastisch: – Meine Assistentin ist sehr beeindruckt von dir. [… Er] laesst sich den Humor nicht verderben: – Hast du ihr erzaehlt, dass du dich in mich verliebt hast? – Nein … Ich habe ihr gesagt, dass du ein alter Bekannter bist. – Ich habe mich ja auch respektabel vorgestellt, oder? Sandie weiss nicht recht, woran sie ist: – Hmm … Worin sollte ich dich denn eigentlich beraten? Der Liebhaber schmunzelt: – Lass dir einfach ‘was einfallen! Sandie schweigt und blickt ihn an. Er blickt ihr tief in die Augen: – Ich habe dich vermisst … Sandie versucht seinen Blick zu erforschen. – Sollen wir einen Spaziergang machen?, unterbricht er ihren Ernst. Sandie nickt. Der Liebhaber legt zwei Dollar auf den Tisch, die beiden verlassen das Lokal.

Sie spazieren die Strasse entlang. – Freust du dich gar nicht, dass ich gekommen bin?, sagt er schliesslich und haengt sich bei ihr ein. Sandie blickt ihn lange an: – Ehrlich gesagt, … es ist so ueberraschend … ich habe gar nicht damit gerechnet … aber … – Aber – nun, da ich da bin ….?! – Wann bist du ueberhaupt angekommen? – Heute morgen. – Und wie lange bleibst du? – Ich bin ja erst angekommen – ich weiss noch nicht … ich wollte dich einfach sehen, es hat mir keine Ruhe gelassen. Sandie scheint zu ueberlegen … – Und wo wohnst du? – Oh, frag’ mich nicht! In irgend so einer Absteige – mit Quartier ist es ja ziemlich schwierig hier! Aber vielleicht weisst ja du ‘was Besseres und kannst mir einen Tipp geben! Sandie denkt nach: – Hmm, ich kenne mich gar nicht mit den Hotels in der Stadt aus, ich lebe ja hier. Der Liebhaber wendet sich ihr verschmitzt zu: – Und wo gehen wir jetzt hin? Sandie bleibt stehen und ueberlegt verlegen.

Sie sperrt die Wohnungstuere auf, der Liebhaber betritt nach ihr das Vorzimmer. Sandie haengt den Poncho an die Garderobe und stellt die Tasche ab. [… Er] zieht seinen Mantel aus, steckt die Haende in die Hosentaschen und wartet. Sie bittet ihn weiter in das Wohnzimmer: – [… Bourbon]vielleicht? Der Liebhaber setzt sich: – Ja, gerne. Sandie geht in die Kueche, er schaut sich im Wohnzimmer um, das ihm sichtlich gefaellt. Sandie ueberreicht ihm ein Glas [… Bourbon] und setzt sich. Er stoesst mit ihr an: – Kein schlechtes Appartement … – Ja, ich habe Glueck gehabt, ich musste gar nicht lange suchen, und nach meiner Trennung von meinem Mann war ich froh, gleich unterzukommen … ich hab’ mich noch immer nicht richtig eingerichtet, ich komme vor allem wegen des Jobs gar nicht dazu. Er laesst sich den [… Bourbon] auf der Zunge zergehen und stellt das Glas ab: – Naja, du kannst dir ja auch Zeit lassen. Sandie entspannt sich ein wenig: – Ja, das denke ich mir auch … Hast du Hunger? [… Er] ist erstaunt: – Hast du etwa Lust zu kochen? Sandie lacht: – Nein! Ich koche nie! Aber der Deli um die Ecke liefert ganz gute Snacks! Der Liebhaberschmunzelt: – Auch nicht schlecht – ich haette gar nicht gedacht, dass du junk food magst! – Naja, eigentlich ziehe ich gutes Essen vor, aber oft geht es eben nicht anders. – Das kann man leicht aendern. – Wie meinst du das? Der Liebhaber bleibt verschmitzt: – Komm‘ doch ein bisschen naeher, du sitzt so weit weg.

Sandie laechelt verlegen, traut sich nicht aufzustehen. Der Liebhaber steht auf und beugt sich zu ihr. Er kuesst sie leidenschaftlich und verfuehrt sie auf der Couch.

Es ist 7.30 morgens. Sandie kommt zurechtgemacht und bereits im Mantel in das Schlafzimmer. Der Liebhaber liegt im zerwuehlten Bett und schlaeft tief und fest. Sandie blickt ihn verliebt an und legt ihren Wohnungsschluessel deutlich sichtbar auf den Boden. Auf leisen Sohlen verlaesst sie die Wohnung.

Sandie laeuft die Stiege zur Agency hinauf, betritt beschwingt das Buero und begruesst die Mitarbeiter freundlich.
Eine der Damen wundert sich: – Sie sind ja heute so gut aufgelegt! Sandie strahlt: – Ja! …. Erfolg macht gluecklich, oder?
Kaum hat sie abgelegt, kommt bereits Lucie mit einem Stapel Unterlagen herein, um ihn Sandie zur Bearbeitung auf den Schreibtisch zu legen. SSandie greift sich an den Kopf: – Das nimmt ja nie ein Ende! Lucie lacht: – Tja, Sie wissen ja … Sandie muss ueber sich selbst lachen: – Ja, ich weiss … Schnell wird sie aber ernst, als Lucie sagt: – Ihr Gatte bittet um einen Rueckruf. Sandie senkt den Kopf und wendet sich ab: – Danke, Lucie. Die Assistentin wirft einen besorgten Blick auf Sandie und verlaesst das Buero.

Sandie will die Wohnungstuere aufsperren, da oeffnet ihr der Unbekannte mit aufgekrempelten Hemdsaermeln. Weit oeffnet er die Arme: – Dinner ist gerade fertig geworden. Ich glaube, meine Kochkunst ist besser denn je! Sandie legt ab und schaut ihn erstaunt an: – Ich wusste gar nicht, dass du kochen kannst. [… Er] fuehrt sie ins Esszimmer: – Extra fuer Dich!
Der Tisch ist festlich gedeckt. Champagner steht gekuehlt auf dem Tisch. [… Er] verschwindet, um wiederzukehren und Muscheln zu servieren: – Was sagst du, sie sind genau im richtigen Moment fertig geworden! Sandie bleibt stehen. Er tischt auf, oeffnet die Champagnerflasche und gibt ihr ein Glas: – Auf dich! Ich nehme an, dein Tag war anstrengend!
Er schenkt ihr ein, sie stossen an: – Ja, das war er. Er nimmt sie am Arm und fuehrt sie zu Tisch: – Komm, iss’ und lass dich verwoehnen. Sandie laechelt und setzt sich. Sie beginnt zu essen, als sie ploetzlich wieder aufsteht: – Ich sollte zuerst meine Haende waschen, entschuldige mich einen Moment. Sie geht hinaus, er isst genuesslich weiter.

Vergnuegt geht Sandie durch das Vorzimmer, wirft im Vorbeigehen einen Blick in die Kueche – bleibt verdutzt stehen: alles ist sauber und rein, nur die gerade benutzten Toepfe stehen auf dem Herd. Irgendwie ist Sandie irritiert. Und wird ganz langsam. Bedaechtig geht sie in das Badezimmer, das ebenfalls genauestens aufgeraeumt ist. Sie sieht sich um. Sogar die Kosmetikflaeschchen sind umsortiert. Sandie waescht sich die Haende. Sie findet das Handtuch nicht an der gewohnten Stelle vor und muss sich suchend umsehen, um es neben der Dusche wiederzufinden. Irritiert verlaesst Sandie das Badezimmer. Sie oeffnet die Schlafzimmertuere. Der Fernseher laeuft, das Bett ist benutzt und unordentlich zerwuehlt. Eine Zeitung liegt gelesen auf dem Bett. Sie laesst ihren Blick ueber das Zimmer wandern und schliesst die Tuere wieder. Sehr langsam und sehr unmutig geht sie zurueck in das Wohnzimmer, bleibt in der Tuere stehen. Der Liebhaber isst in aller Ruhe, blickt sie nur kurz an. – Du liebst wohl Ordnung, sagt Sandie und fasst sich ans Kinn. – Unbedingt. Er isst. Sandie setzt sich und stochert nachdenklich in den Muscheln herum. Er hebt die Gabel, spricht sie damit an: – Du hast noch gar nicht probiert. – Ja, entschuldige, versucht sichSandie zusammenzunehmen. Zoegerlich nimmt sie einen Bissen, macht einen Schluck vom Champagner. Der Liebhaber legt seine Hand auf ihre: – Ich dachte, wir koennten spaeter noch ausgehen. Sandie verneint: – Ich moechte nicht ausgehen. Er nickt: – Wie schade. … Warum isst Du denn gar nicht? Sie blickt ihn an, isst bemueht. Er isst weiter und blickt sie fragend an: – Ich hatte angenommen, du magst Muscheln. – Normalerweise mag ich Muscheln auch. – Normalerweise? – Ja, normalerweise. Auf einmal wird [… er] provokativ: – Was verstehst du eigentlich unter normalerweise? Normalerweise kann zu einer ziemlich einseitigen Sicht der Dinge fuehren. Und – es kann eng werden. Sandie gibt keine Antwort. [… Er] ist noch nicht fertig: – Bist Du sicher, dass Du Dein Leben wirklich geniesst? Da wird Sandie trotzig: – Und wie verbringst du eigentlich dein Leben? – Ich geniesse es, und ich dachte, dass du das auch kannst. Er steht auf und neigt sich zu ihr. Er zieht ihr Kinn hoch und kuesst sie. Gleichzeitig schiebt er ihre Jacke von den Schultern. Sandie wehrt sich ein wenig, gibt sich aber schnell hin. Er kuesst sie leidenschaftlich, laesst aber gleich wieder von ihr ab: – Und im uebrigen: … Sandie wartet neugierig ab, was kommt. Seine Stimme wird stolz, triumphierend: – … als Dessert kuendige ich Himbeersoufflé an.

Die Ladies der Agency sind hektisch mit ihren Computern beschaeftigt. Sandie sitzt neben einer der Damen und geht mit ihr verschiedene Photos durch, die auf dem Computertisch liegen. Es sind Portraits von unterschiedlichen Maennertypen. Sandie ist nicht so konzentriert wie sonst: – Sie sind heute so zerstreut, Mrs. Sandie, das bin ich gar nicht von Ihnen gewohnt. – Ja, Sie haben recht. Ich habe Besuch von meiner Familie, das stresst mich ein wenig. … Was halten Sie von dem? Sandie hebt das Photo eines jungen, abenteuerlustig und auffordernd blickenden Models hoch. Die Kollegin ist nicht ueberzeugt: – Aber wir suchen doch einen weissen Helden! Der hier sieht doch viel zu verlebt aus! Sandie legt das Photo wieder weg: – Sie haben recht. Sie blaettern die anderen Photos durch. Die Lady zeigt auf das Photo eines blonden, freundlich laechelnden Mannes mittlerer Buergerlichkeit: – Der entspricht unserer Vorstellung doch viel mehr. Er ist nicht so attraktiv – wirkt menschlicher und zugaenglicher. Ausserdem strahlt er Zuverlaessigkeit aus. Sandie stimmt zu, wenn auch nicht begeistert: – Das stimmt. Trotzdem wuerde ich mich in den nie verlieben. Die Kollegin lacht: – Natuerlich, klar! Aber er verkoerpert das uebliche Bild des heilen Familienlebens. Sandie ist gar nicht zum Lachen zumute: – Ich frage mich, wer das ueberhaupt noch lebt. Die Kollegin nickt: – Ich mich auch … Nehmen wir den? – Ja. Sandie geht in ihr Buero.

Sie oeffnet eine Schublade ihres Schreibtisches und nimmt ein Photo heraus, auf dem sie mit ihrem Mann zu sehen ist und sehr gluecklich wirkt. Es ist ein Urlaubsphoto. – Warum bin ich eigentlich nie mit dem gluecklich, was ich habe? Warum muss es immer etwas anderes sein? Eine Bilderflut stuermt auf Sandie ein: sie erlebt noch einmal all die vielen kleinen und grossen Momente, die ihr Liebesabenteuer in Puerto Rico, ihre ersten Begegnungen mit dem Liebhaber ausmachten. Das Photo, auf dem sie mit ihrem Mann zu sehen ist, bleibt statisch wichtigster Anker in all diesen Bildern, die auf sie zu und an ihr vorbeifliegen, und wird so stark wie die Erinnerung Sandies an ein Kinderphoto, auf dem sie gerade zehn Jahre alt ist. Mit einem Ruck nimmt sie sich zusammen, greift zum Telephonhoerer, will waehlen und legt wieder auf. – … was will ich eigentlich mit diesem neuen Helden? …

Der Clerk betritt das Buero: – Sie sind noch immer da, Mrs. Sandie? Sandie steht eilig auf, legt das Photo zurueck in die Schublade und legt ihre Unterlagen zusammen: – Nein, nein. Ich muesste ja eigentlich schon laengst weg sein. Sie laechelt dem Clerk zu, verlaesst ihr Buero. Sandie geht zu Fuss, an den gewohnten Fassaden vorbei. Sie fuehlt sich nicht wohl, ist nachdenklich. Noch gar nicht weit vom Gebaeude der Agentur entfernt, versperrt ihr ploetzlich ein Obdachloser den Weg: – Na, … wie ist steht’s, Lady – 10 Dollar waeren nicht schlecht! Sandie erschrickt: – Lassen Sie mich in Ruhe. Der Bump kommt ihr gefaehrlich nahe, schaut sie mit gross aufgerissenen Augen an und taenzelt vor ihr herum. Mit ausholenden, unruhigen Gesten bruellt er sie an: – In Ruhe!? Sie denken, Sie koennen Ihr Leben einfach so in Ruhe verbringen? Was glauben Sie, wie ruhig ich mein Leben verbringe! Er greift in Brusthoehe in seinen alten Mantel. Sandie bekommt es nun doch mit der Angst zu tun. Eilig zieht sie 20 Dollar aus ihrer Tasche und haelt sie ihm hin: – Mehr habe ich nicht bei mir! Er packt das Geld und faengt lauthals zu lachen an: – Sehen Sie, wie einfach das war? Aus seinem Mantel zieht er einen Kaugummi und haelt ihn ihr veraechtlich vor die Nase: – So fest haben Sie an ein Messer und ihre eigene Angst geglaubt! Vielleicht verbringen Sie Ihr Leben zu ruhig! Kann es sein, dass Sie ‘was veraendern muessen? Er springt lachend davon, wie ein Gnom, der in der Dunkelheit verschwindet.

Sandie reibt sich genervt und verzweifelt die Augen. Als sie sich ein wenig von ihrem Schock erholt hat, will sie weitergehen, da greift ihr jemand von hinten auf die Schulter. Sie faehrt in wieder aufflackernder Angst herum: – Mein Gott, hast du mich erschreckt! [… Ihr Liebhaber] steht vor ihr und grinst: – Wie in Costa Rica – fast haette ich Dich schon wieder retten muessen. – Wieso? … Du hast alles gesehen? Warum hast Du nicht eingegriffen?! – Das haette unangenehm ausgehen koennen. Es war klueger abzuwarten. – Aber er haette mich umbringen koennen! [… Er] winkt ab: – Das haette er nicht getan. Sandie kann sich gar nicht fangen: – [… Unglaublich] … Sag’ einmal, wo kommst du ueberhaupt her, ich dachte, wir waren im Coconia verabredet? – Ja, das waren wir auch, aber ich war frueh dran und dachte, ich hole Dich ab. Im Buero hat man mir gesagt, du waerst gerade gegangen … Willst Du noch ins Coconia? Sandie ueberlegt: – Ja, etwas Ablenkung waere vielleicht nicht schlecht. Sie gehen weiter, und erst jetzt blickt Sandie den Liebhaber skeptisch an, weil ihr zu Bewusstsein kommt, dass er schon wieder ungefragt in ihrem Buero auftauchte. Irgendwie wirkt [… er] zynisch. Sie gehen die Strasse entlang und die Stiegen zur Subway hinunter. Sandie hat es sich anders ueberlegt: – Eigentlich moechte ich doch lieber nach Hause gehen. Ich hab’ genug fuer heute.

Sandie und ihr Liebhaber warten auf die Subway. Auf dem Perron begegnet ihnen Lucie. Sie gruesst und wirft einen etwas anzueglichen Blick auf den Liebhaber, geht weiter. Sandie ist die Situation sichtlich unangenehm, sie blickt Lucie mit einem Gefuehl von Beschaemung nach. Der Zug faehrt ein. Der Waggon ist sehr voll. Die Menschen draengen sich. Der Liebhaber steht ganz dicht hinter Sandie. Er fasst Sandie um die Huefte. Sandie empfindet die Situation als viel zu anzueglich und nimmt seine Hand von ihrem Koerper. Ihre Zweifel an seiner Person ergreifen wieder Besitz von ihr: – Was hast du nun eigentlich in der Stadt zu tun – wirst du mir jemals eine wirkliche Antwort geben? […] Charme strahlt wieder aus seinen Augen: – … Ich liebe dich. Aber Sandies Skepsis laesst sich nicht so einfach beruhigen: – Ja …, aber das kann ja nicht alles sein. – Wieso? Das ist eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe. Sandies Unmut steigt: – Ja, aber was tust du in N.Y.? Oder, besser gesagt: Was tust du ueberhaupt? Ich denke, es ist wirklich an der Zeit, dass du dich genauer aeusserst und dich nicht immer einfach nur auf deine erfolgreichen Abschluesse berufst, von denen ausser dir ueberhaupt niemand etwas merkt! [… Sein] Charme bleibt unerschuetterlich: – Aber es ist so, wie ich dir gesagt habe. Ich handle mit Computern. Wenn es dir nicht passt, kann ich auch nichts machen. Was willst du denn eigentlich? Aber sein Tonfall ist leiser geworden und er sieht sich um. Sandie gibt nicht auf: – Hmm … Und wie laufen die Geschaefte? – Gut, sehr gut, laechelt er sie an. Sandie verpackt ihr Thema anders: – Und … wie gefaellt es dir in N.Y.? Sein Laecheln gefriert ein wenig: – Ich denke, grundsaetzlich ist N.Y. kein schlechter Stuetzpunkt. Es scheint sich hier ganz gut zu leben. – Wie – du denkst also daran, dich hier ganz niederzulassen? Das ging aber schnell. – Das kann man nicht ganz so sagen … Es kommt darauf an … – Worauf kommt es an? – Auf uns zum Beispiel. Auf dich … Sandie wird immer aergerlicher: – Wieso auf mich – ich dachte, du bist nicht fuer Beziehungen? – Das habe ich damit auch nicht gesagt. Sandie runzelt die Stirn: – Was stellst du dir dann eigentlich vor? – Das wird sich sicherlich bald weisen. Nun wird Sandie zynisch: – Vielleicht willst du dir ja dann eine Wohnung suchen! [… Sein]Humor ist [nun] ganz trocken geworden: – Eventuell. Der Zug faehrt schnell. Sandie blickt zum Fenster hinaus, sie rasen durch den Tunnel.

Der Portier gruesst, freundlich wie immer, als [… die beiden] das Entrée betreten: – Guten Abend. Hier ist Ihre Post, Mrs. [O‘Keith]Er legt sie auf den Desktop: – Und wie war Ihr Tag heute, Mr. Hanks? Wie haben Ihnen die Museen gefallen? Sandie zuckt unmerklich zusammen und dreht sich weg, sie geht Richtung Lift. [… Der Liebhaber] scherzt noch ein wenig mit dem Portier: – N.Y. ist einfach ein Genuss! Die Sammlungen sind wirklich hervorragend. Und die temporaeren Ausstellungen – das sind dann doch die Dinge, die einem in Miami abgehen! Der Portier nickt: – Ja, das kann ich mir schon vorstellen. Wieviel Zeit bleibt Ihnen denn noch fuer N.Y., Mr. Hanks? – Ich kann es noch nicht genau sagen. Es kommt auf die Firma an … vielleicht kann ich meinen Aufenthalt noch ein bisschen verlaengern. Der Portier nickt wieder, diesmal bedaechtiger: – Das waere ja wirklich schoen. Vielleicht gelingt es Ihnen ja … Sandie steht schon beim Lift und wartet ungeduldig. [… Der Liebhaber] schliesst sich ihr an: – Ja, ich hoffe auch, ‘mal sehen … Gute Nacht, Mr. Baxter. Wieder nickt der Portier: – Einen schoenen Abend noch … Der Lift schliesst sich, da erst bemerkt der Portier, dass Sandie ihre Post vergessen hat. Er blickt ihnen nochmals nach und legt die Post dann langsam in Sandies Postfach zurueck. Ueberlegend streicht er […] ueber[ sein] Kinn.

Der Lift haelt auf Sandies Etage, die beiden steigen aus: – Du machst Mr. Baxter ja ganz schoen was vor. [… Der Liebhaber] sieht das anders: – Mr. Baxter mag mich, das ist doch nichts Tragisches. Sandie sperrt auf, oeffnet die Tuere zu ihrem Appartement. Ohne abzulegen, geht Sandie in die Kueche: – Ich brauche einen Drink. Ich hab’ genug fuer heute. [… Der Liebhaber] hat abgelegt und ist in das Schlafzimmer gegangen. Er dreht den Fernseher auf und legt sich samt Schuhen entspannt auf das Bett. Sandie lehnt mit ihrem Glas […Bourbon] am Worktop: –Was soll das alles eigentlich? Sie zieht ihre Schuhe mit den Fuessen aus, wirft sie in eine Ecke und geht ins Vorzimmer, um den Anrufbeantworter abzuhoeren. Ihr Mann hat eine Nachricht hinterlassen: – Du hast noch immer nicht zurueckgerufen, Sandie. Ist alles in Ordnung? Ich mache mir einfach Sorgen um dich, bitte melde dich, ich moechte nur einfach wissen, wie es dir geht. Sei bitte nicht so stur und ruf’ mich an. Hoffentlich bis bald – ich versuch’s sonst wieder … Sandie lehnt sich an den Tuerstock und macht einen Schluck von ihrem […Bourbon]. Ploetzlich loest sie sich energisch, geht in das Schlafzimmer, bleibt dort im Raum stehen. [… Der Liebhaber] blickt sie an: – Dein Mann? Sandies Tonfall ist schnippisch: – Ja. [… Er] wendet sich wieder dem Fernsehbild zu: – Klingt immer wieder sympathisch. Provokation schwingt in Sandies Stimme: – Nicht umsonst war ich 15 Jahre mit ihm verheiratet. Ihre Antwort scheint [… ihn] nicht zu beeindrucken: – Da hast du aber jung geheiratet. Sandie geht im Raum auf und ab: – Ja, das stimmt. … Heute wuerde ich so schnell nicht wieder heiraten – so hab’ ich’s wenigstens schon hinter mir. Sie nimmt einen Schluck von ihrem […Bourbon], ist etwas nervoes. [… Der Liebhaber] setzt sich auf, streckt ihr den Arm entgegen: – Sei doch nicht so unruhig, komm‘ zu mir. Sandie bleibt stehen: – Nein … ich will nicht. Er neigt sich ihr weiter entgegen: – Komm‘ doch einfach her … Sandie macht einen Schritt zurueck: – … ich will aber nicht … [… Er] laesst sich zurueckfallen: – Du bist ja wirklich genervt. – Bin ich nicht – ich will einfach nicht. Warum kannst du mich nicht in Ruhe lassen? [… Der Liebhaber] setzt sein charmantes Laecheln auf, doch es wirkt anzueglich: – Du willst doch gar nicht in Ruhe gelassen werden. Sandies Unruhe verstaerkt sich, ihr Trotz steigt: – Ich will doch in Ruhe gelassen werden. Sie dreht sich weg, macht einen Schluck von ihrem […Bourbon], verschraenkt die Arme. Abrupt dreht sie sich wieder um, ihre Stimme ist vorwurfsvoll und leicht hysterisch geworden: – Was willst du eigentlich von mir? Wer bist du? Kein Mensch weiss, was du wirklich tust und wie du deine Tage verbringst. Du kennst niemanden, [… niemand weiss, mit wem Du Kontakt hast] … Ich weiss nicht einmal, woher du kommst. Du tauchst aus dem Nichts auf und tust so, als wuerdest du hierhergehoeren! Sandie erregt sich immer mehr: – Du mischt dich einfach in mein Leben ein! Das steht dir ueberhaupt nicht zu! Sie dreht sich wieder weg, scheint auf eine Reaktion zu warten, die aber nicht kommt. Der Liebhaber liegt entspannt auf dem Bett und betrachtet sie ruhig, vielleicht etwas erstaunt. Sandie dreht sich wieder zu ihm, ihre Vorwuerfe und ihr Zorn steigern sich: – Oder vielleicht verschwindest du ja morgen auch wieder – so, wie du gekommen bist! Was willst du ueberhaupt von mir? Was suchst du hier?! … Kurz haelt sie inne, dann bricht all ihr Zorn noch staerker hervor: – Und wie stellst du dir das alles vor? Du gibst hier den generoesen Liebhaber ab, in Wirklichkeit aber gibst du nicht so viel her! Sie schnalzt den Nagel ihres kleinen Fingers mit dem des Daumens. Wieder haelt Sandie inne, wartet auf eine Reaktion, die nicht kommt, die nicht kommen kann. – Was spielt sich in deinem Leben eigentlich ab? Bist du ueberhaupt in der Lage, es selbst zu leben? Brauchst du staendig ein Abenteuer, den Kitzel oder stirbst du in Wirklichkeit vor Langeweile und Frust? … Wo ist dein Kern? … Wozu missbrauchst du mich, wozu beanspruchst du mein Leben, wozu … Was ist es, was du glaubst, unbedingt erobern zu muessen? [… Der Liebhaber]setzt sich auf, muss sich eindeutig beherrschen. Das Mass des Ertraeglichen scheint ueberschritten zu sein. Sein Gesicht versteinert sich: – Nichts Spezielles. Gar nichts. Wovon sprichst du eigentlich? Warum tobst du denn so? Sandie schreit ihm ins Gesicht: – Das kann ich mir denken, dass du nicht weisst, wovon ich rede. Jetzt hoer’ ‘mal genau zu: Ich brauche keinen Liebhaber in meiner Wohnung! Du tauchst da einfach aus dem Nichts auf und glaubst, dich hier einnisten zu koennen. Woher nimmst du eigentlich diese Frechheit! … Offensichtlich denkst du auch noch, das sei selbstverstaendlich! Deine Idee vom Encounter ist ja gut und schoen, aber am Ende geht‘s doch um etwas mehr! … In Wirklichkeit bist du eiskalt! Aalglatt wie ein Fisch. Ich wette, keiner kennt dich. Und du denkst, das reicht fuer ein Abenteuer, geschweige denn fuer eine Beziehung, die du ja sowieso nicht willst! Du nimmst und nimmst und tust auch noch so, als wuerdest du mich verwoehnen! Das ist reiner Missbrauch! … Ganz langsam steht er auf: – Stop, baby, stop, was regst du dich denn so auf, was ist denn los? Beruhige dich doch … Sandie faellt ihm ins Wort: – Was heisst hier, ich soll mich beruhigen! Ich moechte, dass du aus diesem Schlafzimmer verschwindest und meine Wohnung unverzueglich verlaesst! Verschwinde, ich will dich nie wieder sehen! Er tritt auf sie zu und versucht sie zu umarmen: – Baby, ich verstehe gar nicht, was mit dir ueberhaupt los ist … Sandie reisst sich los: – Lass mich in Ruhe! Nimm deine Sachen und verschwinde! Ich hab’ genug! … Er blickt sie eisigen Blickes an und ruehrt sich fuer eine Sekunde nicht von der Stelle. Ploetzlich macht er einen Schritt auf sie zu und umfasst mit der rechten Hand ihren Hals so kraeftig, dass sie erstarrt innehaelt und sich nicht mehr bewegen kann. Seine Stimme ist eisig: – Taeusche dich nicht, baby – es ist nicht wirklich klug, mit mir so umzugehen …. Es gefaellt mir nicht besonders. Sandie will sich losreissen: – [… Lass’ mich los]Fest umfasst er ihren Hals mit beiden Haenden und drueckt ihr Kinn hoch: – Ich glaube, du unterschaetzt mich … Was denkst du eigentlich, mit wem du es hier zu tun hast? Mit einem billigen Minimacho oder so einem gelackten Softie? Mit jemandem, der so weich wie du ist oder gar so eine Flasche wie dein Mann? Dass du mich nicht kennst, ist ja wohl klar, baby. … Du hast uebersehen, dass du zu tief in der Geschichte sitzt. Du dachtest wohl, du koenntest ein bisschen mit mir herumspielen. Das war aber nicht Sinn der Sache, baby. Wenn ich aussteige, steigst du mit aus, das muss dir klar sein. Im besten Fall bietest du mir also weiterhin einen guten Start in N.Y. … Du beruhigst dich also jetzt besser. Er laesst sie los, nimmt ihr das Glas […Bourbon] aus der Hand und haelt es ihr unter die Nase: – Vielleicht machst du erstmal einen Schluck, das wird dir sicherlich gut tun … Sandie blickt ihn an, schlaegt ihm das Glas aus der Hand und laeuft panisch aus dem Zimmer. Sie reisst die Wohnungstuere auf und laeuft in Struempfen auf den Gang. Der Liebhaber erscheint in der Schlafzimmertuer und folgt ihr langsam. Verzweifelt drueckt Sandie den Liftknopf. Der Liebhaber kommt aus der Wohnung und geht gemessen von hinten auf sie zu. In Panik dreht sich Sandie immer wieder um und drueckt auf den Knopf, schlaegt gegen die Metalltuer des Liftes.

Sie oeffnet sich. Sandie stuerzt in den Lift, drueckt von innen auf den Knopf und dreht sich um. Die Tuer schliesst sich … aber ein Fuss stoppt sie – [… und sie öffnet sich wieder]. [… Er] steigt in den Lift, sein Grinsen ist gemein. In aller Ruhe betaetigt er den roten Knopf, der Lift setzt sich nach unten in Bewegung. Sandie drueckt sich gegen die hintere Wand. Unvermittelt stoppt [… er] die Kabine, die abrupt stehen bleibt. Langsam dreht er sich um: – Du hast doch nicht gedacht, dass du mich so einfach los wirst? … Bist du jetzt bereit, wieder nach oben zu kommen? Sandie blickt ihn in Panik an. Er drueckt den Knopf fuer ein Stockwerk, das oberhalb von Sandies Floor liegt, und blickt sie wieder an: – Ich sehe, du bist ein vernuenftiges Maedchen … Wir fahren jetzt ‘mal etwas weiter nach oben. Am Schluss denkt dein liebenswerter Portier noch, dass das frisch verliebte Paar technische Probleme hat. Der Lift setzt sich wieder in Bewegung. Sie starren einander hasserfuellt an. Der Lift bleibt stehen, die Tuer oeffnet sich. Der Liebhaber macht einen Schritt zur Seite, weist mit dem Arm zum Gang: – Ladies first.

Zoegernd geht Sandie den Gang entlang, an ihm vorbei. Sie bleibt stehen und dreht sich um. Er schiebt sie an: – So, und jetzt gehen wir ganz ruhig ueber die Feuerstiege in das Appartement zurueck. Wir wollen ja kein unnoetiges Aufsehen erregen, das waere dir doch sicher peinlich. Er stößt sie Richtung Notausgang, bleibt immer knapp hinter ihr, draengt Sandie die Feuerstiege hinunter. Sie sind auf Sandies Floor angelangt, gehen den Gang entlang und durch die offen stehende Wohnungstuere zurueck in Sandies Appartement. Ohne den Blick von ihr abzuwenden, versperrt er die Tuere von innen: – So, das waer’s erstmal, baby. Ich schlage vor, dass du es dir gemuetlich machst und wir darueber reden, wie es nun weitergehen soll. Er zieht den Schluessel ab. Sandie steht wie versteinert im Vorzimmer und ruehrt sich nicht. Kuehl taxiert er sie: – Willst du nicht deinen Mantel ablegen? Er hilft ihr aus dem Mantel. Starr laesst sie es mit sich geschehen. Er haengt ihren Mantel an die Garderobe: – Setzen wir uns ins Wohnzimmer? Er geht vor. Sandie bleibt stehen und blickt verzweifelt zur versperrten Wohnungstuer. Aus dem Wohnzimmer ertoent Musik. Der Liebhaber wirft einen Blick in das Vorzimmer: – Kommst du nicht?

Blass vor Angst betritt Sandie das Wohnzimmer. Der Liebhaber hat sich auf die Couch gesetzt. Sandie setzt sich knappkantig auf den Fauteuil gegenueber – da laeutet das Telephon im Vorzimmer. Sandie und der Liebhaber starren einander einen Moment lang an, Sandie springt auf, beide stuerzen Richtung Telephon. Sandie hat Vorsprung, sie stuerzt zum Telephon, der Liebhaber knapp hinter ihr. Er erwischt sie, als sie den Hoerer abheben kann. Verzweifelt schreit sie in den Hoerer: – Hilfe! Hilfe … !!! Der Liebhaber reisst ihr den Hoerer aus der Hand und das Kabel aus der Wand. Panik hat ihn ergriffen. Brutal wirft er sie zu Boden. Sie wehrt sich verzweifelt. Er drueckt ihren Kopf nieder und bedroht sie mit zischender Stimme: – So haben wir das alles nicht vereinbart, ich dachte, du willst mich unbedingt?! … Und jetzt auf einmal so zickig?! So war das ganz und gar nicht abgemacht … Vorher hat dir das Spiel doch auch so gut gefallen … Er will ihren Kopf an den Haaren hochziehen … Es laeutet an der Wohnungstuer. Erschrocken haelt er inne. Sandie versucht zu kreischen, er haelt ihr den Mund zu.

Es laeutet nochmals. Kurzes Warten. Es ist der Portier: – Mrs. O‘Keith, Sie haben Ihre Post vergessen … Sandie versucht, sich loszureissen und zu schreien, der Liebhaber drueckt seine Hand noch fester auf ihren Mund. Der Portier klingt besorgt, nervoes: – Mrs. [… O‘Keith] … melden Sie sich bitte … Ich habe Ihre Post hier … [… Der Liebhaber] zieht Sandies Kopf hoeher, unterdrueckt ihr dumpfes Kreischen. Der Portier redet weiter: – … das Telephon funktioniert nicht mehr, … ich mache mir grosse Sorgen um Sie, Mrs. [… O‘Keith], … ich … habe die Polizei verstaendigt, … Mrs. [… O‘Keith] ,… machen Sie doch bitte auf …

Panisch zerrt der Liebhaber Sandie in das Schlafzimmer, versperrt die Tuer und stoesst sie brutal in eine Ecke. Er stuermt zum Fenster und versucht, es zu oeffnen. Flucht scheint ihm der einzige Ausweg. Das Fenster klemmt. Er flucht, aber er kann es oeffnen.

Sandie ist schwer benommen, doch sie rappelt sich hoch und krallt sich von hinten an ihm fest. Verzweifelt versucht sie ihn aufzuhalten, panisch versucht er, sie abzuschuetteln. Als er sieht, dass ihm dies nicht gelingt, packt er sie zornentbrannt und drueckt sie nach vorne zum Fenster hinaus: – Mich ruinierst du nicht, du Schlampe! Vorher krepieren wir gemeinsam! Sandie schreit laut um Hilfe und wehrt sich mit Haenden und Fuessen. Die Wohnungstuer wird aufgebrochen. Die Schlafzimmertuer wird eingeschlagen. Vier Cops stuermen den Raum mit gezogenen Waffen. Gefaehrlich weit hat der Liebhaber Sandie aus dem Fenster gedraengt. Von hinten bruellt ein [… Cop]: – Haende hoch, lassen Sie sie los! Der Liebhaber ruehrt sich nicht, wie versteinert haelt er Sandie fest. – Lassen Sie sie los – wir schiessen! Nur langsam wendet der Liebhaber den Kopf. Sandie entreisst sich seinem Griff, er tritt einen Schritt zurueck. Heulend bricht Sandie in einem Eck des Zimmers zusammen. Einer der Cops stellt sich schuetzend vor sie, der andere drueckt den Liebhaber gewaltsam mit dem Kopf an die Wand, graetscht ihm die Beine und legt ihm Handschellen an. Verschreckt betritt der Portier den Raum, zitternd naehert er sich Sandie: – Mrs. O‘Keith … Weiss wie die Wand und vollkommen verstoert blickt Sandie hoch und fluestert: – Danke, Mr. Baxter … Bitte verstaendigen Sie meinen Mann …

Mehrere Funkwagen und eine Ambulanz mit offener Wagentuer und Fahrer in der Kabine stehen mit rotierendem Blaulicht vor dem Haus. Zwei Sanitaeter stehen bereit. Ein Einsatzkommando sperrt den Hauseingang ab. Passanten haben sich versammelt. Sandie, in eine Polizeidecke eingehuellt, wird von zwei Cops aus dem Haus begleitet. Ihnen folgt der Portier, der in der offenen Tuere stehenbleibt. Sandies Mann kaempft sich durch die Menge der Passanten, wird von einem [… Polizisten] aufgehalten, muss sich legitimieren: – Ich bin ihr Mann … Der [… Cop] fuehrt ihn zu Sandie, sie faengt wieder zu schluchzen an, als sie ihn sieht und faellt ihm in die Arme. Er umarmt sie liebevoll und streichelt ihr behutsam ueber den Kopf: – Es ist alles gut, baby, es ist vorueber …

Sandie liegt in der besten Klinik der Stadt. Sie sieht noch sehr erschoepft aus. Auf dem Nachtkaestchen steht ein wunderbarer Blumenstrauss. Der Ehemann sitzt neben dem Bett und haelt behutsam ihre Hand. Sandie blickt ihn muede an: – Es geht mir schon besser. Ihr Mann laechelt milde: – Morgen darfst du nach Hause gehen, aber du musst dich noch schonen, du hast einen schweren Schock erlitten. Sandie hoert ihm still zu. – Sandie, ich finde, du solltest erstmal nicht in deine Wohnung zurueckgehen. Bleib’ eine Zeitlang in unserem Appartement, du wirst sehen, das wird dir gut tun, da ist dir alles vertraut und du kannst in Ruhe vergessen, was passiert ist. Sandie ist zerknirscht, irgendwie trotzig: – Das werde ich nie vergessen koennen.
Ihr Mann beruhigt sie: – Ich weiss, mein Maedchen … aber ich kann mich dann um dich kuemmern, du brauchst jetzt mehr denn je jemanden, der fuer dich da ist. Du weisst, dass du bei mir gut aufgehoben bist. Sandie wird wieder ganz leise: – Ja, ich weiss. Er versucht sie weiter aufzumuntern: – Wenn es dir recht ist, bereite ich alles fuer dich vor und hole aus deiner Wohnung etwas Kleidung, und was du so brauchst, o.k.? Sandie ist schwach und froh, so aufgefangen zu werden: – O.K. Ihr Mann steht auf, drueckt ihr die Hand: – Ich muss jetzt gehen, Liebes. Ich komme gegen fuenf nochmal, brauchst du irgendetwas? Sandie blickt dankbar zu ihm hoch: – Nein danke, ist schon o.k. Er neigt sich zu ihr, kuesst sie behutsam auf die Stirn, drueckt ihr nochmals zuversichtlich die Hand und macht sich auf den Weg. Sie blickt ihm traurig nach. Er dreht sich nochmals um, zwinkert ihr zaertlich aufmunternd zu: – Bis gleich, baby. Er laechelt ihr zu und schliesst die Tuere hinter sich. Sandie blickt ins Leere und fluestert es nochmals vor sich hin: – Bis gleich …

Der Ehemann verlaesst mit Sandie das Krankenhaus. Die beiden gehen durch Reihen geparkter Autos. Der Gatte oeffnet Sandie die Beifahrertuere seines Autos. Sie setzt sich in den Wagen, er verstaut die Reisetasche. Der Ehemann geht um den Wagen und setzt sich ans Steuer. Sandie sitzt bedrueckt und schweigend neben ihm. Er blickt sie immer wieder an, waehrend sie ueber die Stadtautobahn fahren. Schliesslich dreht er leise das Radio auf, um sie aufzumuntern: – Wir essen erstmal etwas Ordentliches, wenn wir nach Hause kommen, o.k.? Sandie reagiert kaum und starrt weiterhin durch die Windschutzscheibe auf die vor ihnen fahrenden Autos. Er legt seine Hand auf ihren Arm: – Du sagst ja gar nichts, Liebes. Warum bist du denn so still? Sandie blickt ihn nicht an: – Einfach so. Er legt seine Hand wieder aufs Steuer und faehrt munter fort: – Ich hab’ jede Menge eingekauft – was moechtest du lieber: Curry Mix oder Steak? Sandie reagiert kaum: – Ist mir egal. Der Gatte schuettelt wie bedauernd den Kopf: – Ach Maeuschen, ich weiss gar nicht, wie ich dich am besten aufmuntern kann … Ich glaube, ich brate dir ein Steak, das wird dich kraeftigen. Sandie blickt weiterhin nach vorne. Erinnerungen plagen sie  [… der Liebhaber] oeffnet Sandies Wohnungstuere: – Dinner ist gerade fertig geworden. Ich glaube, meine Kochkunst ist vorzueglich wie immer! – Der Liebhaber und Sandie nach dem Liebesabenteuer im Bett: – Ich schlafe nie zu zweit. – Der Unbekannte vertreibt die Kinder.  Sandie kauert mit angezogenen Beinen auf dem Hotelbett.  Der Unbekannte sitzt am Pool und blickt ins Wasser: – Womit haben Sie es geschafft, mit Ueberzeugungskraft oder mit Sexappeal? – Er drueckt Sandies Kinn hoch: – Taeusche dich nicht, baby – es ist nicht wirklich klug, mit mir so umzugehen … – Er will sie aus dem Fenster stossen … Sandies Gatte versucht, das Gespraech wieder anzuknuepfen: – Naja, wenn wir erst zuhause sind … dann kannst du dich richtig entspannen … Sandie blickt ihn lange an.

Der Ehemann parkt den Wagen in der Garage. Im ehelichen Appartement stellt er Reisetasche und Sandies Handtasche ab und wendet sich ihr zu, um ihr aus dem Mantel zu helfen. Apathisch laesst sie sich helfen, nickt still, als er sagt: – Es ist alles wie immer – vielleicht ein bisschen unaufgeraeumter – wir Maenner koennen das wohl einfach nicht so gut … Komm‘, lass uns in die Kueche gehen. Er betritt die Kueche, oeffnet den Kuehlschrank und beginnt eifrig, Steaks vorzubereiten. Sandie geht ihm nach, bleibt stehen, sieht sich um. Der Ehemann drueckt ihr eine Coladose in die Hand: – Komm’, setz’ dich doch, Maeuschen, ich mache alles, entspanne dich. Moechtest du Orangensaft? Er oeffnet nochmals den Kuehlschrank, schenkt ihr ein Glas Orangensaft ein[…]. […] Sandie [steht] regungslos da, waehrend er sich daran macht, das Steak vorzubereiten. Schliesslich sagt sie: – Ich seh’ mich ‘mal ein bisschen um, ich war schon lange nicht mehr hier …, verlaesst die Kueche, stellt [… die Coladose] im Foyer ab und geht in das gegenueberliegende Wohnzimmer. Ihre Schritte sind vorsichtig.

Das Wohnzimmer ist gutbuergerlich und gediegen eingerichtet. Alles ist an seinem Platz. Sandie bleibt stehen, ihre Arme kreuzen sich. Fest umfasst sie die eigene Taille. Ihr Blick schweift ueber das Zimmer und bleibt am Kaminsims haften. Langsam geht sie darauf zu und nimmt ein Photo aus jener Urlaubsserie in die Hand, aus der sie schon einmal im Buero ein Photo betrachtet hat, und welches hier in einem kitschigen, goldenen Rahmen auf dem Kaminsims steht. Sandie betrachtet es lange, dann stellt sie es entschlossen wieder auf das Kaminsims, wendet sich um und geht zuegig zurueck ins Foyer. Sie nimmt einen Stift zur Hand und schreibt auf den Notizblock neben dem Telephon: – Danke fuer alles, aber ich kann nicht. Ich kann nicht zurueck, ich muss es alleine schaffen. Ich liebe dich. Sandie. Unbemerkt verlaesst Sandie das Appartement, geht die lange Allee entlang, laechelnd, mit einem Laecheln, das immer ruhiger wird.

In einer schaebigen Telephonzelle NoHos waehlt Sandie die Nummer ihrer Agency: – Hallo Lucie, Sandie hier.
– Oh, Mrs. Sandie! Wie geht es Ihnen – wir machen uns solche Sorgen um Sie! … – Es ist alles o.k., Lucie, ich brauche allerdings etwas Abstand. Lucie ist eifrig wie immer: – Ja … ja, natuerlich … Wann kommen Sie denn wieder? Sandie atmet tief durch: – Ich komme erstmal acht Wochen nicht und bin in der Zeit auch nicht erreichbar. Bitte sag’ das den beiden Herren. Lucies Verwunderung scheint mit Empören durchsetzt zu sein: – Aber …? … Mrs. Sandie, aber wie soll ich das denn …, und wer soll Sie vertreten? Sandie unterbricht sie: – Sie machen das schon, Lucie. – Aber, Mrs. Sandie …? – Bis dann, Lucie, machen Sie sich nicht solche Sorgen … Sandie legt auf, lehnt sich entspannt am Telephonapparat an und betrachtet leichten Herzens die quirlige Strassensituation. Ihr Blick faellt auf ein Café. 

Sie setzt sich an einen der einfachen Tische. Eine keck aufgemachte Kellnerin fragt nach ihrer Bestellung. Sandie ueberlegt kurz: – Haben Sie frischgepresste Saefte? – Orangen-, Karotten- oder Ananassaft. – Orangensaft bitte. Durch die grosse Glasfront des Cafés betrachtet Sandie die lebendige Strassensituation – eine Kreuzung, bunt und quirlig, voller Menschen und hupender Wagen. Sie geniesst es. Die Kellnerin stellt ihr den Saft hin. Sandie trinkt den Orangensaft aus einem Glas mit buntem Strohhalm. Ein Mann kommt an ihren Tisch. Er sieht gut aus, wirkt impulsiv und auffordernd. Er spricht sie an: – Orangensaft also?! Darf ich Sie auf etwas anderes einladen? Sandie blickt zu ihm hoch, wartet einen Moment, bevor sie laechelnd antwortet: – Das ist sehr freundlich von Ihnen … leider jedoch kann ich Ihr Angebot nicht annehmen. Der Mann verliert sein Laecheln, sein Charme verfliegt, er ist enttaeuscht, verlaesst unmutig den Tisch. Sandie blickt ihm noch einmal freundlich nach, dann nimmt sie zwei Geldscheine aus ihrer Manteltasche, legt sie im Aufstehen auf den Tisch, spaziert sehr ruhig aus dem Lokal und verschwindet in der Menschenmenge.

Strassenverkehr und Hektik unter den Fussgaengern nehmen ihren bunten Verlauf.

(*)
Anmerkungen 2020: Der ursprüngliche, im Drehbuch für das in Comix-artigem Stil produzierte Soap Game 1998 an die Hauptfigur vergebene Name Sandrella ist in der vorliegenden, ansonsten kaum veränderten Fassung 10/1999 in Sandie verändert worden [Weitere Änderungen 2020 per Einklammerungen bzw. Fußnote gekennzeichnet]. Für einen Spielfilm würde sich auch ein neuer Filmtitel empfehlen.
(**)
Anmerkung 2020: In den Drehbuchfassungen 1998/1999 trinkt Sandrella Bourbon mit Eis. Im vorliegenden Text 2003 wurde dieser Vorschlag auf Champagner verändert; 2020 die ursprüngliche Version wieder eingeführt.

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